Was ist Carbon Farming?
Carbon Farming: Chance oder Hype? Eine Analyse
In unserer Podcast-Folge 144-2 hatten wir die Gelegenheit, mit René Rempt, einem Berater für regenerative Landwirtschaft, über das viel diskutierte Thema Carbon Farming zu sprechen. Der Begriff verspricht, Landwirtschaft zu einem Teil der Klimalösung zu machen. Doch was steckt wirklich dahinter? Wir fassen die Perspektiven aus dem Gespräch zusammen und ordnen sie in die aktuelle wissenschaftliche und praktische Debatte ein.
Das Konzept: Was versteht man unter Carbon Farming?
Im Kern, so erklärte uns René Rempt, geht es beim Carbon Farming darum, durch angepasste Anbaumethoden aktiv Kohlenstoff aus der Atmosphäre im Boden zu binden. Das Ziel sei es, den Boden als Kohlenstoffspeicher zu nutzen. Ein wesentlicher Punkt in seinen Ausführungen war, dass es nicht nur um den Aufbau von klassischem Humus aus Pflanzenresten gehe. Als Schlüssel zum Erfolg nannte er den sogenannten MAOC (mineral-associated organic carbon). Dieser besonders stabile Kohlenstoff werde vor allem durch die Ausscheidungen lebender Pflanzenwurzeln gebildet.
Weniger Bodenbearbeitung
Pflugverzicht soll die Bodenstruktur und das Bodenleben schonen, wodurch Kohlenstoff erhalten bleibt.
Vielfältige Zwischenfrüchte
Mischungen aus Pflanzen mit unterschiedlichen Wurzelsystemen sollen die biologische Aktivität und die Bodenstabilität fördern.
Integration von Tieren
Die Beweidung von Ackerflächen kann laut Befürwortern den Aufbau von langlebigem Kohlenstoff signifikant fördern.
Die Wirtschaftlichkeit: Ein Blick auf die Zahlen
Ein zentraler Teil unseres Gesprächs drehte sich um die ökonomischen Aspekte. René Rempt betonte, dass die Umstellung auf regenerative Methoden eine langfristige Entscheidung sei: „Man muss in Jahrzehnten denken“. Seiner Erfahrung nach entstehen anfänglich oft Kosten für Zwischenfrüchte und Maßnahmen zur Aktivierung der Bodenbiologie. Er führte jedoch auch mehrere potenzielle langfristige Vorteile an:
Renés Hinweis, dass diese Methoden nicht zwangsläufig zu geringeren Erträgen führen müssten, ist Teil einer größeren Debatte. Während viele Praktiker von stabilen Erträgen nach einer Umstellungsphase berichten, warnen andere vor Ertragseinbußen, insbesondere in den ersten Jahren.
Einordnung: Zwischen wissenschaftlichem Konsens und offener Debatte
Die von René beschriebenen Methoden sind attraktiv, doch wie werden sie in der Wissenschaft und Praxis bewertet? Das Bild ist vielschichtig.
Unterstützende Forschung und Potenziale
Zahlreiche Studien, unter anderem vom deutschen Thünen-Institut oder dem Schweizer Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL), bestätigen die positiven Effekte regenerativer Praktiken auf die Bodengesundheit. Dazu gehören:
- Verbesserte Wasserhaltefähigkeit: Böden mit höherem Humusgehalt können Wasser besser speichern, was sie widerstandsfähiger gegen Trockenheit macht.
- Erosionsschutz: Eine permanente Bodenbedeckung durch Zwischenfrüchte und Mulch schützt wertvollen Ackerboden vor Wind und Wasser.
- Gesteigerte Biodiversität: Das vielfältige Bodenleben, von Regenwürmern bis zu Mikroorganismen, profitiert enorm von reduzierter Bearbeitung und vielfältigen Fruchtfolgen.
Kritische Aspekte und Herausforderungen
Trotz der Potenziale gibt es wesentliche, wissenschaftlich diskutierte Hürden und Kritikpunkte:
Die größte Herausforderung ist die Quantifizierung und Dauerhaftigkeit der Kohlenstoffspeicherung. Der Boden ist ein dynamisches System.
- Messbarkeit und Permanenz: Wie viel Kohlenstoff wird wirklich und vor allem dauerhaft gespeichert? Die genaue Messung ist teuer und komplex. Zudem kann der gespeicherte Kohlenstoff durch eine spätere, intensivere Bearbeitung schnell wieder freigesetzt werden.
- Abhängigkeit von Herbiziden: Insbesondere der Verzicht auf den Pflug (No-Till-Systeme) führt in der Praxis oft zu einem erhöhten Einsatz von Totalherbiziden wie Glyphosat, um Unkräuter zu kontrollieren – ein ökologisch und gesellschaftlich kontroverses Thema.
- Wirtschaftliches Risiko: Die Umstellung erfordert hohe Anfangsinvestitionen und die Bereitschaft, mögliche Ertragsdellen in den ersten Jahren zu akzeptieren. Die Einnahmen aus CO2-Zertifikaten sind oft noch zu gering, um dieses Risiko vollständig zu kompensieren.
- Sättigungseffekte: Jeder Boden hat eine natürliche Sättigungsgrenze für Kohlenstoff. Das Speicherpotenzial ist also endlich und standortabhängig.
Fazit aus unserem Gespräch
Die Diskussion mit René Rempt hat gezeigt, dass Carbon Farming und regenerative Landwirtschaft mehr sind als nur ein Trend. Sie bieten einen fundierten Ansatz, um die Bodengesundheit zu verbessern und die Landwirtschaft resilienter zu machen. Die von ihm genannten Potenziale, wie eine verbesserte Wasserspeicherung und geringere Betriebskosten, sind für jeden Betrieb relevant.
Gleichzeitig ist klar, dass es keine einfache Lösung für alle gibt. Der Erfolg hängt stark vom Standort, dem betrieblichen Management und der Bereitschaft zu langfristigem Denken ab. Die wissenschaftliche Debatte unterstreicht, dass wir realistische Erwartungen an die Klimaschutzleistung haben müssen und Herausforderungen wie die Messbarkeit und den Herbizideinsatz offen adressieren müssen.
Unser Gespräch hat eine Perspektive aufgezeigt, nach der Carbon Farming eine strategische Investition in die Ressource Boden ist. Es ist ein vielversprechender, aber auch anspruchsvoller Weg, der Betriebe dabei unterstützen kann, sich zukunftsfähig aufzustellen – sowohl ökologisch als auch ökonomisch.